[Kerstin]
DIORAMAs Auftritt war um einiges emotionsgeladener
als auf dem Amphi Festival. Torben Wendt packte alles Leid und
alle Aggressionen in seine Songs und dementsprechend waren auch
die Reaktionen des Publikums im Hangar, der zu dieser frühen
Uhrzeit schon bemerkenswert gut gefüllt war. Die Band ist
ja doch ein eher seltener Gast auf dem M’Era Luna
Festival und genoss die Aufmerksamkeit, die besonders den in Kilt
gewandeten Gitarristen zum Animieren des Publikums verleitete.
Der Gig wurde mit Advance abgeschlossen, laut Torben
Wendt das unbekannteste Lied der Formation, aber leider das einzige
ältere Stück.
[Daniel]
Seit 2003 werkelt Hocico-Sänger Erk Aicrag an seinem
Soloprojekt RABIA SORDA. Nach dem Release einer
MCD steht seit Herbst letzten Jahres das Album-Debüt Métodos
Del Caos in den Plattenläden. Nun steht der
mexikanische Derwisch endlich auch auf deutschen Bühnen,
hat sein Aggressionspotential aber deutlich zurückgefahren.
Zwar zappelte und hüfte er immer noch munter kreuz und quer
über die Bühne, so dass er die Fotografen zur Verzweiflung
brachte, schraubt mit RABIA SORDA den musikalischen
Härtgrad aber ein gutes Stück zurück. Der Gesang
ist weniger stark verzerrt, es gibt ein „echtes“ Schlagzeug
zu hören und in den hauptsächlich im Midtempobereich
angesiedelten Kompositionen wird melodiösen Elementen mehr
Raum eingeräumt. So kamen die gefälligen Sounds live
zwar ganz gut an, die große Euphorie blieb aber aus. Auf
jeden Fall weckte der Auftritt Lust, in die CDs des Projektes
reinzuhören.
[Kerstin]
Nachdem die CRÜXSHADOWS ja mittlerweile
auf eine Billboard Nr. 1 zurückblicken können, sollte
es im Budget der Plattenfirma doch drin sein, einen Stimmcoach
für Frontmann Rogue zu spendieren, was bitter nötig
wäre, hatte der Sänger doch auf dem M’era
Luna einen seiner schlechteren gesanglichen Tage, was
Songs wie Deception und Marilyn My Bitterness
für alle außer die hartgesottene Fanbase zu einer Qual
machte. Als Service für die Fans fingen die CRÜXSHADOWS
10 Minuten früher an und spielten bis zum Ende ihrer Spielzeit,
allerdings sehr zum Unmut der Presseleute und Fotografen, die
gehetzt das Zelt verließen und sich Richtung Bühne
aufmachten. Ansonsten verlief der Auftritt nach altbekannten Schema
F: Rogue beginnt den Auftritt im Publikum und klettert irgendwann
auf die Boxentürme; alles leider nicht mehr sehr einfallsreich,
da es mittlerweile wirklich jeder gesehen hat und nur noch müde
über diese Aktionen lächeln kann. Für Fans war
der Auftritt die Gelegenheit Geigerin Rachel Mc Donnell das letzte
Mal live zu erleben, verlässt sie doch nach der Tour die
Band, um sich mehr ihrem Privatleben zu widmen.
[Daniel]
Zurück in den Hangar, Nebenprojekte die zweite. Dafür,
dass 32 CRASH gerade mal eine EP namens Humanity
draußen haben, hatten sich die drei Herren auf dem M’era
Luna einen guten Slot gesichert. Hinter 32 CRASH
stehen nicht gerade unbeschriebene Blätter: Front-242-Sänger
Jean-Luc de Meyer, Len Lemeire von Implant und Implant- und Ex-Vive-La-Fête-Drummer
Jan D’Hooghe begeben sich mit ihrem Projekt auf eine musikalisch
facettenreiche Zeitreise ins finstere Jahr 2107. Passend zur vielschichtigen
Musik variiert Jean-Luc de Meyer seinen markanten Gesangsstil
und sorgt so für einen abwechslungsreichen Gig. Ungewöhnlich
passiv dagegen die restliche Performance des in einen merkwürdigen
Ganzkörperanzug gehüllten Sängers. So wollte der
Funke nicht so recht überspringen und ein Großteil
des Publikums konnte mit den Kompositionen sicherlich noch nicht
so viel anfangen. Interessant war die dargebotene Kost aber allemal.
[Kerstin]
Für die 69 EYES müsste ein M’era
Luna Auftritt mittlerweile fast ein Heimspiel sein, gab
es doch seit dem ersten Konzert im Hangar anno 2000 kaum ein Jahr,
in dem die Band nicht aufgetreten ist. Jyrki69 hat sich auf seine
Goth’nRoll Wurzeln besonnen und hat den indianischen Regentanz
wieder an den Nagel gehängt. Trotzdem gab es auf der Bühne
viel zu sehen, da Jyrki immer noch wie ein Verrückter über
die Bühne wirbelt und die Tage der statischen Bühnenpräsenz
mit obligatorischer Sonnenbrille definitiv der Vergangenheit angehören.
Der Focus lag auf den Alben Devils und Angels,
aber auch ältere Stücke wie Brandon Lee, was
mit „It can’t rain all the time“ angekündigt
wurde und jeder „The Crow“-Fan wusste, was kommen
würde, oder The Chair rockten die Finnen auf der
Bühne und beschlossen ihr Set mit dem fulminanten Lost
Boys.
[Daniel]
Rückblickend auf den spektakulären Headlinergig von
SKINNY PUPPY in Hildesheim vor zwei Jahren gab
es so manche Überraschung zu beobachten. So musste die kanadische
Electro-Legende am späten Nachmittag im gleißenden
Tagelicht auftreten, hatte keinen Gitarristen mit dabei und der
für seine spektakuläre blutigen Bühnenperformances
bekannte Frontmann Nivek Ogre kam mit einem kalkweiß geschminkten
Gesicht und langen schwarzen, zu einem Zopf gebundenen Haaren
auf die Bühne, so dass sein Look schon fast Assoziationen
mit King Diamond weckte. Nun gut, dafür war der Bursche am
Körper mit allerlei merkwürdigen Utensilien ausstaffiert,
die entfernt an Druckluftschläuche und Atemmasken erinnerten.
Am linken Bühnenrand stand eine weiße, wahrscheinlich
noch vom letzten Tourkonzert blutverschmierte Leinwand bereit,
die im Verlauf des Gigs noch gebührend zum Einsatz kommen
sollte. Einige Fotografen umhüllten ihre wertvollen Arbeitsgeräte
schon im Vorfeld mit Plastiktüten. Jedenfalls wurde weit
weniger Aufwand als beim letzten Gastspiel in Hildesheim betrieben.
Dennoch boten SKINNY PUPPY eine recht kurzweiliges
Konzert, das seine Spannung im wesentlich aus Niveks Performance
schöpfte. So schwenkte der Sänger einen überdimensionierten
Rosenkranz, besudelte sich und die Leinwand ordentlich mit Blut,
versuchte sich mehrere Songs lang sein weißes Hemd vom Leib
zu reißen und drückte seinen Körper zu Dig
It passenderweise von hinten gegen die Leinwand. Weitere
Klassiker wurden dagegen schmerzlich vermisst. Einzig Worlock
und Tormentor konnte ich heraushören, während
der Schwerpunkt in der Setlist offenbar auf den letzten beiden
Albumveröffentlichungen lag. Das drückte zusätzlich
zur fehlenden Gitarre die Stimmung doch schon gewaltig. Auch wenn
das Zusammenspiel von Livedrums und dem Gefrickel von cEVIN Key
hinter seiner Technikburg nett anzusehen war – SKINNY
PUPPY-Shows leben einfach von ihrer bombastischen Inszenierung,
den exzentrischen Kostümierungen und der dazu passenden Lichtshow.
Davon war dieses Jahr leider wenig zu sehen. Schade.
[Kerstin]
Mein persönliches potentielles Highlight war der Auftritt
von IAMX am Sonntagabend im Hangar. Konnte die
Band die an die beiden Erfolgsalben angeknüpften hohen Erwartungen
auch erfüllen und die Songs auch live adäquat umsetzen?
Sie konnte und das mit Bravour! Leider begann der Gig mit 10 Minuten
Verspätung, die auch im Nachhinein nicht drangehängt
werden konnten, da der Zeitplan festivalüblich sehr eng war.
Sänger Chris Corner, in schwarz weiß gestreiften Stiefeln,
passender Krawatte und Federn am Hut konnte live stimmlich genauso
überzeugen wie auf CD und seine Performance lässt sich
als eine Mischung aus Variété, Glam und Rockshow
beschreiben. Mit Kiss And Swallow, Mercy und
Skin Vision gab es einige Stück des Erstlingswerkes
zu hören, der Focus war aber eindeutig auf das aktuelle Album
The Alternative gerichtet, das im Herbst
auch ausgiebig betourt wird. Hingehen!
[Daniel] Ordentlich Lorbeeren haben Chris Corner
plus Band ja in der einschlägigen Presse schon eingeheimst.
Wie bei Kerstin war meine Vorfreude auf den Gig deshalb sehr sehr
groß. Kraftvoll stiegen die Briten mit The Alternative
ein und gleich war trotz leichter Soundprobleme klar, dass ein
exzellentes Konzert bevorstand. Chris Corner fegte einem Balletttänzer
gleich über die Bühne und seine Freundin, teils an den
Keys, teils an der Gitarre und ein weitere Gitarrist plus Drummer
gaben alles – im Mittelpunkt stand aber stets die Diva Chris
Corner. Es kam nur sehr wenig aus der Konserve, so dass die Musiker
gut im Stress waren. Das aber zeichnet einen professionellen und
lebendigen Gig aus. Das begeisterte Publikum hatten IAMX
also definitiv verdient. Viele hatten dieses geile Konzert aber
verpasst, denn auf der Hauptbühne spielte sich unterdessen,
eine Attraktion ab, die wohl die meisten Besucher animiert hat,
nach Hildesheim zu fahren...
[Kerstin]
Nach dem kraftvollen Konzert von IAMX war es
schwierig, einen Gang zurückzuschalten und sich auf ein Klassikkonzert
einzustellen, das von DEINE LAKAIEN superb in
Szene gesetzt wurde. Für den einen oder anderen Musiker der
Frankfurter Philharmonie mit Sicherheit der erste Kontakt mit
der Szene! Leider passte es so gar nicht zum Festival, trotzdem
war der Publikumszuspruch enorm. Ein normales LAKAIEN-Konzert
hätte sich besser in den Rahmen gefügt. So ließen
wir den Tag langsam zu vertrauten Tönen ausklingen, die in
ein ungewohntes Gewand gekleidet waren. Natürlich ging dieses
Konzert wie die meisten LAKAIEN-Konzerte mit
Love Me To The End zu Ende...
[Daniel] Über die Klasse der auf der Bühne
stehenden Musiker und die dargebotenen Kompositionen braucht man
sicherlich kein Wort verlieren. Allerdings fügte sich das
Konzert nicht so recht in den restlichen Rahmen ein. Wenn man
nicht unmittelbar vor der Bühne stand, verlor sich die feine
Dynamik der klassischen Orchestrierung ziemlich sang und klanglos
auf dem weitläufigen Areal vor der Hauptbühne. Das hätte
man sich definitiv besser in einem adäquaten Konzertsaal
ansehen sollen.
[Kerstin]
THE JESUS AND MARY CHAIN hatten die undankbare
Aufgabe, das Festival an diesem Sonntagabend vor einem stetig
abnehmenden Publikum zu beschließen. Wir entschieden uns
dennoch, in das Konzert reinzuhören und stellten fest, dass
viele Sachen bekannt waren. Der Gig verlief jedoch mehr im Midtempo
Bereich, was nicht dazu beitrug, die Leute auf dem Festivalgelände
zu halten. Vielen älteren Fans war jedoch die Verzückung
anzusehen, die 80iger-Ikonen noch mal live auf der Bühne
zu sehen.