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2007-08-11-12 DE – Hildesheim - Flugplatz

[Kerstin] DIORAMAs Auftritt war um einiges emotionsgeladener als auf dem Amphi Festival. Torben Wendt packte alles Leid und alle Aggressionen in seine Songs und dementsprechend waren auch die Reaktionen des Publikums im Hangar, der zu dieser frühen Uhrzeit schon bemerkenswert gut gefüllt war. Die Band ist ja doch ein eher seltener Gast auf dem M’Era Luna Festival und genoss die Aufmerksamkeit, die besonders den in Kilt gewandeten Gitarristen zum Animieren des Publikums verleitete. Der Gig wurde mit Advance abgeschlossen, laut Torben Wendt das unbekannteste Lied der Formation, aber leider das einzige ältere Stück.

[Daniel] Seit 2003 werkelt Hocico-Sänger Erk Aicrag an seinem Soloprojekt RABIA SORDA. Nach dem Release einer MCD steht seit Herbst letzten Jahres das Album-Debüt Métodos Del Caos in den Plattenläden. Nun steht der mexikanische Derwisch endlich auch auf deutschen Bühnen, hat sein Aggressionspotential aber deutlich zurückgefahren. Zwar zappelte und hüfte er immer noch munter kreuz und quer über die Bühne, so dass er die Fotografen zur Verzweiflung brachte, schraubt mit RABIA SORDA den musikalischen Härtgrad aber ein gutes Stück zurück. Der Gesang ist weniger stark verzerrt, es gibt ein „echtes“ Schlagzeug zu hören und in den hauptsächlich im Midtempobereich angesiedelten Kompositionen wird melodiösen Elementen mehr Raum eingeräumt. So kamen die gefälligen Sounds live zwar ganz gut an, die große Euphorie blieb aber aus. Auf jeden Fall weckte der Auftritt Lust, in die CDs des Projektes reinzuhören.

[Kerstin] Nachdem die CRÜXSHADOWS ja mittlerweile auf eine Billboard Nr. 1 zurückblicken können, sollte es im Budget der Plattenfirma doch drin sein, einen Stimmcoach für Frontmann Rogue zu spendieren, was bitter nötig wäre, hatte der Sänger doch auf dem M’era Luna einen seiner schlechteren gesanglichen Tage, was Songs wie Deception und Marilyn My Bitterness für alle außer die hartgesottene Fanbase zu einer Qual machte. Als Service für die Fans fingen die CRÜXSHADOWS 10 Minuten früher an und spielten bis zum Ende ihrer Spielzeit, allerdings sehr zum Unmut der Presseleute und Fotografen, die gehetzt das Zelt verließen und sich Richtung Bühne aufmachten. Ansonsten verlief der Auftritt nach altbekannten Schema F: Rogue beginnt den Auftritt im Publikum und klettert irgendwann auf die Boxentürme; alles leider nicht mehr sehr einfallsreich, da es mittlerweile wirklich jeder gesehen hat und nur noch müde über diese Aktionen lächeln kann. Für Fans war der Auftritt die Gelegenheit Geigerin Rachel Mc Donnell das letzte Mal live zu erleben, verlässt sie doch nach der Tour die Band, um sich mehr ihrem Privatleben zu widmen.

[Daniel] Zurück in den Hangar, Nebenprojekte die zweite. Dafür, dass 32 CRASH gerade mal eine EP namens Humanity draußen haben, hatten sich die drei Herren auf dem M’era Luna einen guten Slot gesichert. Hinter 32 CRASH stehen nicht gerade unbeschriebene Blätter: Front-242-Sänger Jean-Luc de Meyer, Len Lemeire von Implant und Implant- und Ex-Vive-La-Fête-Drummer Jan D’Hooghe begeben sich mit ihrem Projekt auf eine musikalisch facettenreiche Zeitreise ins finstere Jahr 2107. Passend zur vielschichtigen Musik variiert Jean-Luc de Meyer seinen markanten Gesangsstil und sorgt so für einen abwechslungsreichen Gig. Ungewöhnlich passiv dagegen die restliche Performance des in einen merkwürdigen Ganzkörperanzug gehüllten Sängers. So wollte der Funke nicht so recht überspringen und ein Großteil des Publikums konnte mit den Kompositionen sicherlich noch nicht so viel anfangen. Interessant war die dargebotene Kost aber allemal.

[Kerstin] Für die 69 EYES müsste ein M’era Luna Auftritt mittlerweile fast ein Heimspiel sein, gab es doch seit dem ersten Konzert im Hangar anno 2000 kaum ein Jahr, in dem die Band nicht aufgetreten ist. Jyrki69 hat sich auf seine Goth’nRoll Wurzeln besonnen und hat den indianischen Regentanz wieder an den Nagel gehängt. Trotzdem gab es auf der Bühne viel zu sehen, da Jyrki immer noch wie ein Verrückter über die Bühne wirbelt und die Tage der statischen Bühnenpräsenz mit obligatorischer Sonnenbrille definitiv der Vergangenheit angehören. Der Focus lag auf den Alben Devils und Angels, aber auch ältere Stücke wie Brandon Lee, was mit „It can’t rain all the time“ angekündigt wurde und jeder „The Crow“-Fan wusste, was kommen würde, oder The Chair rockten die Finnen auf der Bühne und beschlossen ihr Set mit dem fulminanten Lost Boys.

[Daniel] Rückblickend auf den spektakulären Headlinergig von SKINNY PUPPY in Hildesheim vor zwei Jahren gab es so manche Überraschung zu beobachten. So musste die kanadische Electro-Legende am späten Nachmittag im gleißenden Tagelicht auftreten, hatte keinen Gitarristen mit dabei und der für seine spektakuläre blutigen Bühnenperformances bekannte Frontmann Nivek Ogre kam mit einem kalkweiß geschminkten Gesicht und langen schwarzen, zu einem Zopf gebundenen Haaren auf die Bühne, so dass sein Look schon fast Assoziationen mit King Diamond weckte. Nun gut, dafür war der Bursche am Körper mit allerlei merkwürdigen Utensilien ausstaffiert, die entfernt an Druckluftschläuche und Atemmasken erinnerten. Am linken Bühnenrand stand eine weiße, wahrscheinlich noch vom letzten Tourkonzert blutverschmierte Leinwand bereit, die im Verlauf des Gigs noch gebührend zum Einsatz kommen sollte. Einige Fotografen umhüllten ihre wertvollen Arbeitsgeräte schon im Vorfeld mit Plastiktüten. Jedenfalls wurde weit weniger Aufwand als beim letzten Gastspiel in Hildesheim betrieben. Dennoch boten SKINNY PUPPY eine recht kurzweiliges Konzert, das seine Spannung im wesentlich aus Niveks Performance schöpfte. So schwenkte der Sänger einen überdimensionierten Rosenkranz, besudelte sich und die Leinwand ordentlich mit Blut, versuchte sich mehrere Songs lang sein weißes Hemd vom Leib zu reißen und drückte seinen Körper zu Dig It passenderweise von hinten gegen die Leinwand. Weitere Klassiker wurden dagegen schmerzlich vermisst. Einzig Worlock und Tormentor konnte ich heraushören, während der Schwerpunkt in der Setlist offenbar auf den letzten beiden Albumveröffentlichungen lag. Das drückte zusätzlich zur fehlenden Gitarre die Stimmung doch schon gewaltig. Auch wenn das Zusammenspiel von Livedrums und dem Gefrickel von cEVIN Key hinter seiner Technikburg nett anzusehen war – SKINNY PUPPY-Shows leben einfach von ihrer bombastischen Inszenierung, den exzentrischen Kostümierungen und der dazu passenden Lichtshow. Davon war dieses Jahr leider wenig zu sehen. Schade.

[Kerstin] Mein persönliches potentielles Highlight war der Auftritt von IAMX am Sonntagabend im Hangar. Konnte die Band die an die beiden Erfolgsalben angeknüpften hohen Erwartungen auch erfüllen und die Songs auch live adäquat umsetzen? Sie konnte und das mit Bravour! Leider begann der Gig mit 10 Minuten Verspätung, die auch im Nachhinein nicht drangehängt werden konnten, da der Zeitplan festivalüblich sehr eng war. Sänger Chris Corner, in schwarz weiß gestreiften Stiefeln, passender Krawatte und Federn am Hut konnte live stimmlich genauso überzeugen wie auf CD und seine Performance lässt sich als eine Mischung aus Variété, Glam und Rockshow beschreiben. Mit Kiss And Swallow, Mercy und Skin Vision gab es einige Stück des Erstlingswerkes zu hören, der Focus war aber eindeutig auf das aktuelle Album The Alternative gerichtet, das im Herbst auch ausgiebig betourt wird. Hingehen!
[Daniel] Ordentlich Lorbeeren haben Chris Corner plus Band ja in der einschlägigen Presse schon eingeheimst. Wie bei Kerstin war meine Vorfreude auf den Gig deshalb sehr sehr groß. Kraftvoll stiegen die Briten mit The Alternative ein und gleich war trotz leichter Soundprobleme klar, dass ein exzellentes Konzert bevorstand. Chris Corner fegte einem Balletttänzer gleich über die Bühne und seine Freundin, teils an den Keys, teils an der Gitarre und ein weitere Gitarrist plus Drummer gaben alles – im Mittelpunkt stand aber stets die Diva Chris Corner. Es kam nur sehr wenig aus der Konserve, so dass die Musiker gut im Stress waren. Das aber zeichnet einen professionellen und lebendigen Gig aus. Das begeisterte Publikum hatten IAMX also definitiv verdient. Viele hatten dieses geile Konzert aber verpasst, denn auf der Hauptbühne spielte sich unterdessen, eine Attraktion ab, die wohl die meisten Besucher animiert hat, nach Hildesheim zu fahren...

[Kerstin] Nach dem kraftvollen Konzert von IAMX war es schwierig, einen Gang zurückzuschalten und sich auf ein Klassikkonzert einzustellen, das von DEINE LAKAIEN superb in Szene gesetzt wurde. Für den einen oder anderen Musiker der Frankfurter Philharmonie mit Sicherheit der erste Kontakt mit der Szene! Leider passte es so gar nicht zum Festival, trotzdem war der Publikumszuspruch enorm. Ein normales LAKAIEN-Konzert hätte sich besser in den Rahmen gefügt. So ließen wir den Tag langsam zu vertrauten Tönen ausklingen, die in ein ungewohntes Gewand gekleidet waren. Natürlich ging dieses Konzert wie die meisten LAKAIEN-Konzerte mit Love Me To The End zu Ende...
[Daniel] Über die Klasse der auf der Bühne stehenden Musiker und die dargebotenen Kompositionen braucht man sicherlich kein Wort verlieren. Allerdings fügte sich das Konzert nicht so recht in den restlichen Rahmen ein. Wenn man nicht unmittelbar vor der Bühne stand, verlor sich die feine Dynamik der klassischen Orchestrierung ziemlich sang und klanglos auf dem weitläufigen Areal vor der Hauptbühne. Das hätte man sich definitiv besser in einem adäquaten Konzertsaal ansehen sollen.

[Kerstin] THE JESUS AND MARY CHAIN hatten die undankbare Aufgabe, das Festival an diesem Sonntagabend vor einem stetig abnehmenden Publikum zu beschließen. Wir entschieden uns dennoch, in das Konzert reinzuhören und stellten fest, dass viele Sachen bekannt waren. Der Gig verlief jedoch mehr im Midtempo Bereich, was nicht dazu beitrug, die Leute auf dem Festivalgelände zu halten. Vielen älteren Fans war jedoch die Verzückung anzusehen, die 80iger-Ikonen noch mal live auf der Bühne zu sehen.

 

story & pics © Daniel & Kerstin