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2024-10-26 DE – Wuppertal - Immanuelskirche

| Einlass: 18 Uhr | Beginn: 19 Uhr | Tickets: 33/40 Euro + Gebühren |

A Night Of Dark Ambient Music

VESTIGIAL - EX.ORDER - INADE - PHELIOS

[Dajana] Wie bereits nach der letztjährigen ganz wunderbaren Ausgabe des PHOBOS FESTIVALS angekündigt (Livebericht hier), gab es auch in diesem Jahr wieder eine Night Of Dark Ambient Music. Einmal mehr haben in der :: Immanuelskirche :: zu Wuppertal vier Bands das Publikum verzaubert, wobei Organisator Martin Stürtzer mit seinem Projekt PHELIOS den Abend selbst eröffnet hat.

[BRT] Vom PHOBOS FESTIVAL hatte ich schon viel gehört, nur hat es bisher nie gepasst mit der Anwesenheit. Dies wurde am Wochenende schleunigst geändert. In Sachen Ambient bin ich über den Krautrock-Kontext, Berliner Schule, Düsseldorf und Brian Eno sicherlich etwas bewanderter als beim Dark Ambient, wo ich zumindest im Bereich Lustmord, Lamia Vox oder Kammarheit die eine oder andere Platte besitze und schätze. Musikalische Beschreibungen sind das eine, aber hier ist ja nun keine oder kaum Bühnenaction zu erwarten, so versuche ich zumindest die Videoprojektionen zu beschreiben oder die eigenen Bilder die sich auftun in Worte zu fassen.

[Dajana] Ja, genau! Da man eh meist auch die Augen geschlossen hält, um die Musik noch intensiver aufzunehmen und zu geniessen, lässt man am besten die Seele einfach schweifen und beschreibt, was die Musik heraufbeschwört.
Bei schönstem Herbstwetter und spätsommerlichen Temperaturen ging es in das Tal der Wupper. Nach akrobatischer Parkplatzfindung und überaus leckerem Indisch ließen wir uns von dieser alten Holzkirche aufsaugen.

:: Fotos :: Impressionen ::

[Dajana] Leider wurde der Abend mit einer sehr, sehr traurigen Nachricht eröffnet. :: PETER BJÄRGÖ :: und seine Frau Cecilia, die ja bereits anwesend waren, erhielten die alles niederschmetternde Nachricht vom Tod ihrer Tochter und bestiegen umgehend den nächsten Flieger zurück nach Schweden.
An dieser Stelle unser herzlichstes Beileid an Peter und Ia und die Familie Bjärgö und unendlich viel Kraft für diese so schwere Zeit.
PETER BJÄRGÖ ist für das NH ja kein Unbekannter. Vor seiner Heirat bekannt als Peter Pettersson, wurde er in den frühen 2000er von der NH-Crew für seine musikalischen Werke bei Arcana und vor allem bei Sophia verehrt. Herbstwerk und The Seduction Of Madness liefen hier seinerzeit hoch und runter. Peter ist bis heute sehr aktiv und veröffentlicht in schöner Regelmäßigkeit Alben, das aktuellste, The Translucency Of Mind's Decay, 2021.

[Dajana] Martin selbst ging diese Nachricht so nahe, so dass er es kaum in Worte fassen konnte und zog es dann vor, lieber Musik zu machen.

:: Fotos :: PHELIOS ::

[Dajana] Über :: PHELIOS :: muss man nicht mehr viele Worte verlieren, denke ich. Wer auch nur ansatzweise im Ambient-Bereich unterwegs ist, kommt an Martin Stürtzer und PHELIOS nicht vorbei ;) Martin ist ein kreativer Unruhegeist, der scheinbar keine Sekunde stillsitzen kann, ohne zu komponieren – sein musikalischer Output ist immens.
[BRT] Die Musik von PHELIOS ist von allen anwesenden Künstlern an diesem Abend noch am ehesten “straight” und einfach zu konsumieren. Hier gab es einzelne Tracks, die in einander übergingen aber immer im Flow waren. Dissonanzen hielten sich in Grenzen, laut wurde es, wenn längere Percussion Passagen das Klangbild dominierten. Bei den Bildern gab es verfallene Fantasy Landschaften, karge Wüsteneien, unterirdische Gräber oder wirbelnde astrale Spiralen. Zumindest bei PHELIOS gibt es da keine einheitlichen Bilder, aber dennoch passende. Die eigenen Bilder im Kopf, oder die in der Vorstellung, waren eher, dass hier eine Fahrt einer Sonde über kalte Eisplaneten oder die Geröllringe des Saturn ganz gut gepasst hätten. Live war das Ganze nicht ganz sooo düster wie auf Konserve.
[Dajana] Tatsächlich kamen vier der Songs vom brandneuen Album Obsidian Forest, welches am 1. November erscheinen wird, das man aber hier an diesem Abend bereits erwerben konnte. Die drei anderen Tracks waren deutlich älteren Datums, wie z.B. Hibernation vom 2013er Gates Of Atlantis Album.
Ein ausgesprochen schönes Set! Und da die Kirche innen aus Holz besteht, wirkt sie wie ein großer Resonanzkörper. Ab einer gewissen Lautstärke (und insbesondere, wenn viele Drums & Percussions involviert sind oder bei dronigen Sounds) fängt das Holz an zu vibrieren und man kann die Soundkollagen spüren. Wer schon mal bei einem Konzert in Amsterdam im Paradiso war, weiß was ich meine ;)
Band: Martin Stürtzer
Setlist: Pillars Of Night, The Serpent, Hibernation, Stasis Device, Opalescent Void, Stargazer, Voices Of Dawn
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:: Fotos :: INADE ::

[Dajana] Nach Fjernlys (dem Soloprojekt von Knut Enderlein) im letzten Jahr nun :: INADE ::, die Hauptband von Knut Enderlein & Rene Lehmann, den Machern hinter der Loki Foundation. Wie bei allen Projekten der Beiden gibt es wenig Informationen, nur Musik.
[BRT] Und INADE gingen da schon deutlich dissonanter und wesentlich dynamischer zu Werke. Einzelne Sprachpassagen, viel Theremin, (einer elektronischen Geige und ein Blasinstrument - Dajana) mehr Noise, dazu eigentlich nur eine Komposition. Visuell gab es deutlich weniger Landschaft, dafür mehr Stroboskop, wabernde Sternennebel, flackernde Fraktale, undefinierbares leuchtendes Geäst und den Kopf eines Cyborgs gegen Ende hin. Musikalisch wuchtiger, spannender aber auch etwas weniger für die Vorstellungskraft im visuellen Bereich. Kannte ich vorher nicht, gefiel mir aber ausgesprochen gut.
Band: Knut Enderlein & Rene Lehmann
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:: Fotos :: EX.ORDER ::

[BRT] Für die Lücke, die Peter Bjärgö nun hinterliess, sprangen Knut Enderlein und Rene Lehmann ein und spielten ein zweites, eher kurzes Set unter dem Moniker :: EX.ORDER ::.
[Dajana] Das war eigentlich mal das Soloprojekt von Rene Lehmann, ist aber nun mit Knut ein Duo.
[BRT] Musikalisch ging es deutlich in den Death Industrial Bereich. Spärliche Beats trafen auf eher unstrukturierten Lärm, durchaus dynamisch, durchaus spannend aber harter Stoff. Dazu passten die teilweise ziemlich verstörenden Bilder aus dem amerikanischen Knast oder von Massenschlägereien. Viel Geflacker, kurze stroboskopartige Bilder, teilweise recht anstrengend für die Augen. Auch hier gab es gefühlt nur einen längeren Track ohne großartige Wiederholungen. In dem Rahmen eine spannende Abwechslung, fürs zuhause hören eher ungeeignet…
[Dajana] Ja, das Visuelle ging mit dem Musikalischen Hand in Hand. Gewalt, Krieg, Feuer, Mord und Totschlag, aber auch Demonstrationen. Wofür? Wogegen? Eine sehr düster-dystopische Welt wurde da präsentiert. Moment mal… dystopisch? Schaut man sich aktuell in der Welt um, sind wir schon da. EX.ORDER präsentierten damit also ein Spiegelbild aus dem Hier und Jetzt.
[BRT] Ja, irgendwie auch ein Soundtrack zum Lesen der täglichen Nachrichten…
Band: Rene Lehmann &
Knut Enderlein

:: Fotos :: VESTIGIAL ::

[Dajana] Das italienische Projekt :: VESTIGIAL:: war mir bis dato völlig unbekannt. Wundert kaum, bis dato gibt es nur ein Album, Translucent Communion, aus dem Jahre 2008, und zwei EPs in 2009 veröffentlicht. Seitdem gab es nichts Neues mehr.
Aber… das (sehr lange) Warten hat ein Ende :) Nach 25 Jahren wird es nun endlich ein neues Album geben. Es heisst Descending Vastness und sollte eigentlich an diesem Abend den Merch bereichern. Leider gab es Verzögerungen im Presswerk, so dass wir uns noch bis Dezember gedulden müssen. Dafür wurde das Publikum aber direkt mit mehrheitlich neuem Material belohnt.
An der Visualisierung für die heutige Show hat VESTIGIAL übrigens monatelang gearbeitet. Die Mühe hat sich gelohnt, will ich meinen, denn die Musik harmonierte ganz wunderbar mit den visuellen Sequenzen und erschuf eine großartige Atmosphäre.
[BRT] Den besten Flow und die kompakteste Atmosphäre des Abends brachte der italienische Künstler VESTIGIAL. Hier gab es straighte, meist kalte Synthieflächen, spärliche Beats, nicht zu harsche Drones und nur wenig Dynamik. Die Bilder waren zum größten Teil grau, schwarz-weiß und bestanden oft aus abstrakten Landschaften, Planeten, Statuen oder auf dem Kopf stehenden urbanen Kulissen. Hier hätten auch Ascheregen oder karge Schneelandschaften gut gepasst.
Band: Vestigal
Setlist: Through The Milions Points Of Time, Elemental Thesis, Vastness, Anthropic Uncreation, Set Sun To Flames, Pale Statues Of Nowhere (Kalpamantra compilation), Last Extinction Prayer (Aeon), Do You Hear The Earth Cry?

[Dajana] Was bleibt zu sagen? Einmal mehr ein aussergewöhnlicher Abend mit exzellenter Musik! Danke PHOBOS, danke Immanuelkirche! ♥ ♥ ♥
Wir sehen uns im nächsten Jahr am 18. Oktober 2025, mit SVARTSINN und SPHÄRE SECHS - die ersten beiden Bands, die für die nächste Ausgabe bekanntgegeben wurden :)

[BRT] Dem kann ich mich nur anschliessen. Da komme ich doch gern wieder… Oder halte die Augen mal nach ähnlichen Veranstaltungen offen. Kirchen sind sicherlich ein toller Ort für diese Musik, ich kann mir aber auch gut leere Fabrikhallen oder ein Planetarium vorstellen. Wie auch immer, es ist Musik, die die Fantasie belebt. Bitte mehr davon!

Vielen Dank an Martin & das Phobos Festival für die Presse-Akkreditierung :)

story © BRT & Dajana • pics © Dajana & Dajana Winkel • Photography