2015-03-28 DE – Oberhausen - Turbinenhalle
 

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Stage 2

 

VNV Nation - Project Pitchfork - Laibach - Leæther Strip - Grendel - Spetsnaz - Vomito Negro - Centhron

Eine Band, die vor allem das jüngere Publikum ansprach und zum Tanzen brachte, waren die Bremer :: CENTHRON ::. Elmer (Gesang), Markus (Bass) und Anette (Synth) präsentierten Songs aus der letzte Dekade ihres Schaffens und auch aus ihrem in November erschienenen sechsten Album Biest. Warum die drei sich in das Genre Viking Harsh Electro einreihen, erkennt man, wenn man die männlichen Mitglieder auf die Bühne treten sieht: mit langen Haaren, Army-Klamotten und dem eher untypischen Bass, dazu ausgiebiges Headbanging. Als visuelles Charakteristikum einzigartig und einprägend. Nach den ersten Klängen wird dann auch klar, dass vor allem jüngere Zuschauer die harten, aggressiven Beats nutzen würden, um die Spotlights des sonst eher dürftigen Lichteinsatzes auszunutzen, um mit ausschweifenden Cyberdance-Moves das Festival im Zuschauerraum zu eröffnen. „We are Centhron, raise your fist“ war der Schlachtruf und als Opener haben es die drei Norddeutschen geschafft, vor allem mit Songs wie Pornoqueen, die Leute zu animieren mitzusingen und ausgiebig die Arme und Hüften zu schwingen. Trotz allem war die langweilige Lichtarbeit und der eher repetitive Sound nach ein paar Songs leicht ausgelutscht und nur für Hardcore-Fans des Aggrotech-Genre bis zum Schluss interessant. Trotz allem ein charismatischer, motivierender Opener.

Seit über 30 Jahren im Geschäft war es nun an Mastermind Gin Devo zusammen mit E-Drummer Sven Kadanza das Publikum aufzurütteln- mit Oldschool Electro und EBM. Nach einem fast zu langen Intro gelang es den Belgiern aber schnell die ersten Reihen zum Bewegen und zum Wogen zu bringen. Dies wurde durch den fast schon überraschten Ausdruck „I see here a lot of people!“ gut zusammengefasst, denn bereits am frühen Nachmittag waren wirklich schon überraschend viele Zuschauer vor der Main Stage. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Musikern, bedienten :: VOMITO NEGRO :: nun eher die erwachsenere Generation von elektronischen Hörern. Auf der Bühne blieben die Bewegungen des Sängers, als auch wiedermal das Licht eher zurückhaltend, aber sowohl neue Songs wie Obsession aus dem neuen Album Death Sun, als auch ältere, wie No Hope, No Fear brachten mehr Leute vor die Bühne. Black Power brachte die Fans nochmal zum Mitsingen, trotz allem wechselten Hits und eher Standardkost sich ab und den letzten Funken blieb die Band den Fans schuldig. Solider und guter, alter Oldschool Electro, der sich vehement gegen Cybertechno und seine Unterarten wehrt. Leider eher ein Zwischenspiel auf dem Weg zur nächsten Band.
Setlist: Time, Stain, Obsession, In Silent Places, Tape X, Black Power-No Hope No Fear, Save The World

Als die Vertreter der neuen EBM-Welle :: SPETSNAZ :: die Main Stage eroberten, blieb das Bühnenbild gewohnt minimalistisch: Mit einem kleinen Kit für PC und E-Drum, welches Stefan Nilsson mit viel Spaß bediente und dabei auch gerne mit dem Publikum Kontakt aufnahm. Sänger Pontus Stålberg rannte von einer Seite der Bühne auf die andere, interagierte mit dem Publikum und feuerte sie an. Nach Stefans Öffnen des Hemdes und einer Wasserdusche zu Perfect Body war es dann mit der letzten Zurückhaltung im Publikum vorbei und sowohl die eher aus dem Metal-Genre stammende „Pommesgabel“, als auch ein größerer brachialer Moshpit entwickelten sich vor der Bühne. Für Fans und Bühnenprotagonisten wäre es bestimmt schöner gewesen, wenn solch eine charismatische Band mit so einer Setlist später am Abend gespielt hätte. Das hätte dann auch eine größere Publikumsbeteiligung zur Folge gehabt. Aber auch so waren der Applaus und das Gegröle der Anwesenden groß. Ein einfaches „Thank You“ zum Abschluss des Gigs bewirkte ebenfalls wahre Wunder und die Schweden von SPETSNAZ waren so schon früh am Tag ein kleiner Höhepunkt des Festivals.

Die erste Band, die die scheinbar immer schlechter werdende Tontechnik traf, waren die Niederländer von :: GRENDEL ::. Die für eine Harsh EBM/Industrial-Band oftmals eingesetzte E-Gitarre von Paul verschwand bis auf wenige Riffs in der Versenkung und die Lautstärke - sowohl von Sänger JD und seiner hinreißenden Sängerin und Keyboarderin Mel - variierten leider. So gingen Hits wie Timewave Zero ein wenig unter und klangen liebloser präsentiert, als sie eigentlich waren. Trotz allem konnte von GRENDEL die positive Grundstimmung der Fans, die von den vorangegangenen Spetsnaz noch sehr gut war, weiter genutzt werden. Und auch wenn Moshpits ausblieben, konnte man die Bewegungen der meisten Zuschauer bis in hintere Reihen erkennen und in begeisterte Gesichter schauen, was vor allem auch am stetig mit dem Publikum agierenden Sänger JD lag. Ein anderes Festival und eine andere Tontechnik würden GRENDEL noch mehr zu einem Erlebnis machen als es hier der Fall war.

Eine Stunde Spielzeit deutet an, dass ab jetzt die Größen der dunklen elektronischen Musik auf der Bühne erscheinen. Dazu passend waren nun gefühlt noch ein Viertel mehr Leute als zuvor im Frontbereich der Bühne: Alle bereit, die nun folgenden „Hauptacts“ des Festivals zu feiern. Die Dänen von :: LAETHER STRIP :: machten dabei zurecht den Anfang. Seit Ende der 80er Jahre beeinflusst diese Band sowohl Industrial- und EBM-Größen wie Nine Inch Nails, Wumpscut, Suicide Commando, aber auch Metal-Bands wie Fear Factory nehmen sich ein Beispiel an Claus und Kurt für ihre Remixe. Synth-Master Kurt Grünewald blieb sympathisch lächelnd im Hintergrund und überliess die Bühne Mastermind Claus Larsen, welcher leider meist nur in grünlich umherschwenkenden Licht das Publikum animierte und mit ihm interagierte. Kurze Ansagen wie „Fuck you, Putin!“ und auch schon das Eröffnungslied Kill A Raver trafen dabei genau ins Schwarze und heizten die Stimmung weiter auf, sodass der Moshpit wieder eröffnet werden konnte. Spätestens beim sechsten Song Crash Flight 232 wurden die Fäuste geschwungen, die Stimmbänder nicht mehr geschont und die Massen kamen fast vollständig in Bewegung. Japanese Bodies wurde dann von der Masse frenetisch gefeiert und zum ersten Mal wurden danach vereinzelte Zugabe-Rufe laut. LEAETHER STRIP wären in meinen Augen somit die ideale Nachfolgeband von Spetsnaz gewesen.
Setlist: Kill A Raver, Dirt Decay (Twice A Man cover), Mortal Thoughts, I Am Your Conscience, Crash Flight 232, Black Gold, Evil Speaks, Strap Me Down, Adrenalin Rush, Japanese Bodies

Viele Techniker auf einer Bühne, Beamer werden installiert, Lichttests, ein Drumkit, fünf Programming-PCs, vier Synth-Anlagen. Es ist Zeit für etwas, was über ein normales Hör-Erlebnis hinausgeht! Als weitere Besonderheit gab es für diese Band keine Ansage vorweg. Unter lautem Jubel und Applaus betraten die Mitglieder der slowenischen Avangarde-Gruppe :: LAIBACH :: die Bühne. Als letzter Sänger Milan Fras mit seinem charakteristischen, charismatischen Erscheinungsbild und seiner unverwechselbaren Kopfbedeckung. Zusammen mit Sängerin und Synth-Spielerin Mina Špiler präsentierte Frontmann Milan ein Musik-Kino mit meist abgespielten Ansagen und einstudierten Bewegungen. Selbst der Griff zur Wasserflasche wurde wohlüberlegt und zelebriert. Im Hintergrund präsentierten die Beamer marschierende Stiefel und Damenschuhe, blau-weiße Wolkenfetzen, geometrische und farbliche Muster, tanzende Skelett-Armeen und einiges mehr. Bei dem Song Under The Iron Sky lief das offizielle Video mit Filmausschnitten des fast gleichnamigen Science Fiction –Films. Durch Songs wie No History, Alle gegen Alle oder Tanz mit Laibach wurden die EBM und Post-Industrial-Muskeln des sonst fast starren Publikums wieder. Als erste Band durfte LAIBACH dann auch die (geplante) Zugabe Leben heißt Leben spielen. Die Band hätte wohl besser auch einen eigenen Tontechniker mitgebracht: Die nervigen Feedbacks nahmen nämlich arg zu, was das Gesamtbild zum Glück jedoch nur leicht stören konnte. LAIBACH ist ein musikalisches und visuelles Ereignis. Inszenierte Kunst, die man nur von wenigen Bands kennt. Knapp 35 Jahre Erfahrung als Band und Kunst-Ensemble schlagen sich hier auch meiner Wertung nieder.
Setlist: Eurovision, Walk With Me, No History, Whistleblowers, B Mashina, Leben – Tod, Alle Gegen Alle, Eat Liver!, Bossanova, See That My Grave Is Kept Clean, Tanz Mit Laibach, Das Spiel Ist Aus // Leben Heisst Leben

Eine seit 25 Jahren aktive und sogar zweimal für den Musikpreis „Echo“ nominierte Band sollte eine große Bühne für ihre Performance geboten bekommen. Es schien alles wie gewohnt, markante Bemalung und Frisuren, zwei Drumkits, zwei Synths mit Programming und Peter Spilles als gewohnter Eckpfeiler der Dark-Electro-Waver-Gruppe aus Hamburg. Timekiller eröffnete die Setlist von :: PROJECT PITCHFORK :: und das Publikum reagierte sehr dankbar und sang und tanzte mit. Auch bei den nächsten Songs, Blood-Loss und Acid Ocean konnte man die gute Grundstimmung halten, die jedoch mit fortschreitender Dauer etwas kippte: Grund war die noch immer miserable Tontechnik und die zu dunkle und neblige Beleuchtung/Nebeleinstellung. Ab der Hälfte der Setlist, vor allem dann zu Liedern wie Rescue und Fire And Ice, war die Lautstärke so unerträglich, dass sich die Leute zurückzogen oder ganz aus dem Raum der Main Stage gingen. Dazu kamen langanhaltende Stroboskop-Lichteffekte, die ebenfalls einige Fans dazu brachten, sich von der Bühne abzuwenden. Mit geschlossenen Augen und Ohrstöpseln und einer guten Fan-Attitüde war es ein Auftritt, der solide war. Alle anderen waren wohl eher froh, dass es nach etwas über einer Stunde vorbei war.
Setlist: Timekiller, Blood-Loss (Sometimes), Acid Ocean, Carnival, Blood, Stained, Beholder, En Garde, Conjure, Blood-Diamond (See Him Running), Rain, Souls, Blood -Line (Never), Rescue, Fire And Ice, Blood-Pressure (Just for My Pleasure)

:: VNV NATION :: - Die Headliner des Festivals hatten nun 80 Minuten Zeit das angeschlagene Publikum wieder aufzubauen. Ebenfalls seit knapp 25 Jahren präsentiert Mastermind und Sänger Ronan Harris seine Future-Pop Kompositionen den Fans. Zusammen mit dem langjährigen E-Drummer Mark Jackson startete die britisch-irische Kombo mit dem ruhigen Legion. Hier wurde schon klar, wie sehr die Fans auf die Songs warteten, denn nur eine kurze Handbewegung von Harris reichte aus und das Publikum schrie und klatschte auf, was öfters auf der Bühne für ein überraschtes, freudiges Kopfschütteln sorgte. Es gab viel Interaktion mit dem Publikum, sowohl während der Songs, als auch dazwischen und Band und Fans schaukelten sich gegenseitig hoch, so dass es manchen Leuten vor der Bühne als etwas zu übermütig und zu sehr nach Motivationsseminar klang. Auf der anderen Seite sah man sich manche, vor allem weibliche Fans, kurz gerührt unter die Augen wischen bei Songs wie Resolution. So bleibt vom menschlichen Standpunkt ein wenig eine leicht zwiegespaltene Meinung darüber, ob und wie man ein Publikum für sich gewinnt. Musikalisch gibt es kaum etwas zu rütteln, auch wenn man manchmal das Gefühl hatte, Ronan Harris geht etwas sehr legere mit den Textzeilen und ihrer Aussprache um. Ebenso war die Emotion etwas zu aggressiv oder gelangweilt an manchen Stellen, was aber auch an der immer wieder sich ändernden Lautstärke und den ewig nervenden Feedbacks lag, das macht das Leben eines Künstlers nicht gerade angenehmer. VNV NATION waren zwar Headliner und Abschluss des Festivals, aber man hat sie schon in besserer Qualität erlebt. Ob es jetzt nur an der sehr bescheidenen Tontechnik, oder auch an der künstlerischen Laune lag, lässt sich schwer sagen. Und wahre Fans von VNV NATION haben den engen und häufigen Kontakt zu Frontmann Ronan Harris genossen und die Lieder so idealisiert, dass es ein schöner Abschluss eines schwarzen elektronischen Tages war.
Setlist: Legion, Sentinel, Testament, Illusion, Everything, The Great Divide, The Farthest Star, Homeward, Space And Time, Chrome, Honour 2003, Resolution, Control, Nova, Perpetual

 

story © Markus Lambertz • pics © Dani Vorndran & Black-Cat-Net