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2018-05-19 DE – Gelsenkirchen - Amphitheater
 
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Overkill - Axel Rudi Pell - Marduk - Cirith Ungol - Leatherwolf - The New Roses - Nocturnal Rites - Traitor

:: Fotos ::

 

[Psycho] Tag 2 wurde von den momentan überall abgefeierten Thrashern :: TRAITOR :: eröffnet. Ihr neues Album Knee-Deep In The Dead ist mir ehrlich gesagt nicht aggressiv genug, aber live war von diesem Manko nichts zu merken. Stattdessen ging es sehr ordentlich zur Sache, was vom Publikum entsprechend honoriert wurde. Trotz der Doppelbelastung war zudem der Gesang von Drummer Andreas sehr annehmbar, Respekt! Muss mir die letzte Scheibe doch noch mal anhören...
[Sui] TRAITOR wurden mir zuvor von Psycho als Kreator minus Aggressivität angekündigt. Und so gab es gleich am Anfang des Tages die erste Überraschung. TRAITOR sind sicher nicht sehr innovativ, aber ihr Old-School-Thrash besaß durchaus die nötige Aggressivität, um die Müdigkeit aus den Knochen zu pusten. Hut ab vor Sänger/Drummer Andreas Mozer, aber auch vor seinen drei Kollegen, die einen richtig guten Opener abgaben.
[Dajana] Ich fand TRAITOR ungemein erfrischend (insbesondere nach dem elendig langen Rucksack-Schlange-stehen und Gehetze in den Fotograben). Die Jungspunde sind heiß auf’s Musizieren und noch heißer auf’s live spielen, gerade auf so einem Festival. Man wird förmlich von ihrer Spielfreude infiziert.
Bei Teutonic Storm gab es übrigens Burkhard Schmitt als Gastsänger auf der Bühne, seines Zeichens Sänger bei Hate Squad bzw. Manager bei TRAITOR (um nur mal 2 Betätigungsfelder zu nennen. Der Mann ist ein Tausendsassa). So wurde Drummer Andreas Mozer ein bisschen entlastet. Ich finde ja singende Drummer immer sehr bewundernswert. Respekt für so eine Leistung!
[Psycho] Überhaupt muss man sagen, dass es noch nie so viele singende Drummer auf dem RHF gab... Ein neuer Trend?
[BRT] TRAITOR waren durchaus unterhaltsam, ein klasse Opener für einen Festivaltag. Innovativ natürlich nicht, aber das dürfte im Thrash-Bereich eh schwer sein. Super war allerdings das lustige und sehr originelle Intro in dem ein Moderator sich über Introtapes und den bescheuerten Namen der Band lustig macht…
Setlist: Intro, Knee-Deep In The Dead, Crucifiction, Thrash Commando, Ebola, Lords Of Lust, Mad Dictator, Teutonic Storm, Predator (Skinned Alive), Nuke ‘Em All, F.U.A.D., Blitzkrieg Bop (Ramones cover)

[Psycho] Als Kontrastprogramm zur Adrenalinkeule bei Traitor zeigten uns :: NOCTURNAL RITES :: anschließend, wie man Metal ohne jegliche Power macht: technisch sehr beschlagen, aber leider auch stinklangweilig. Die Cheesy-Refrains und die Bonbon-Keyboards vom Band haben dann zumindest mir den Rest gegeben.
[Sui] Das Problem, das ich mit Melodic Power Metal habe, ist, dass er einfach keine Power hat. NOCTURNAL RITES haben zwar durchaus kraftvolle Ansätze, die sie aber mit traumwandlerischer Sicherheit durch schwülstige Refrains und süßliche Melodien zunichte machen. Dass der ursprüngliche Gitarrist zu Sabaton abgewandert ist, macht Sinn. Die sind nämlich noch öder, aber eben kommerziell auch erfolgreicher.
[BRT] Irgendwie war ja schon vorher klar, dass eine Band wie NOCTURNAL RITES beim Nocturnal Hall keinen Blumentopf gewinnen konnte. Dafür steht melodischer Power Metal bei niemandem so richtig auf dem Speiseplan. Nun ja, das hatte schon ordentlich Power, ein paar coole Melodien, einen ordentlichen Sänger und richtig gute Background Gesänge – hatte aber im Endeffekt natürlich nicht sonderlich viel Tiefgang. Ein bisschen gut gemachtes Fastfood ohne Nachhaltigkeit. Obwohl die Band mit ordentlich Spielfreude startete, ließ diese doch mit zunehmender Spielzeit nach, was möglicherweise an den doch recht mauen Reaktionen aus dem Publikum lag.
Setlist: Before We Waste Away, Call Out To The World, Shadowland, Never Trust, Repent My Sins, Never Again, A Heart As Black as Coal, Still Alive, Fools Never Die

[Dajana] Ende April hab ich :: THE NEW ROSES :: noch als Vorband von den Dead Daisies live gesehen und war begeistert. Kraftvoller Hard Rock mit schönen Melodien, Mitsingrefrains, Groove und einer ordentlichen Portion Härte und eine Band die vor Spielfreude nur so sprühte. Hier auf dem RHF konnten mich die Jungs allerdings nicht wirklich überzeugen.
[Psycho] Das habe ich genauso empfunden. Die Dead Daisies hatten mir im letzten Jahr auch deutlich besser gefallen.
[Sui] Kontrastprogramm ist angesagt: Nach Thrash und Melodic Schlaftabletten-Metal jetzt klassischer Hard Rock mit bluesigen Einschlägen und Frank-Zander-Stimme. Manche Refrains von THE NEW ROSES sind mir allerdings auch hier zu poppig, da werden Erinnerungen an Bon Jovi wach. Der Titel Life Ain’t Easy (For A Boy With Long Hair) klang sogar irgendwie nach Bryan Adams’ Summer Of ‘69. So recht scheint Frontmann Timmy Rough noch nicht zu wissen, wie weit er den Texas-Boy raushängen lassen soll, denn in seine Ansagen schleichen sich immer wieder Americana-Klischees ein, die bei einem langhaarigen Jungen aus der deutschen Provinz leicht aufgesetzt wirken. Aber unterm Strich machen THE NEW ROSES viel Spaß und werden vom Publikum entsprechend gefeiert.
[BRT] Joah, das Fazit für die vorherige Band ließ sich auch ein wenig auf THE NEW ROSES übertragen. Ordentlich gemachter Hardrock mit Hand und Fuß, mit Spielfreude rübergebracht, aber leider auch tausendmal gehört und mit zu wenig Tiefgang. Aber ja, Posen konnten die Jungs aus Wiesbaden, Texas.
Setlist: Every Wildheart, Forever Never Comes, Dancing On A Razorblade, Gimme Your Love, It's A Long Way, Life Ain't Easy (For A Boy With Long Hair), Devil's Toys, One More For The Road, Thirsty

[Psycho] Hohe Erwartungen Teil 3: :: LEATHERWOLF :: gehören zu den Altmeistern des US-Metal und suggerieren aufgrund dreier Gitarristen ordentliche Live-Power. Daran gemessen war der Gig dann eher verhalten, wenn auch insgesamt ordentlich. Der Extra-Kick durch den zusätzlichen Gitarristen wollte sich mir allerdings nicht erschließen, und die richtig zwingenden Melodien fehlten leider ebenfalls, was aber auch am schwammigen Sound gelegen haben kann. Dafür muss man festhalten, dass Michael Olivieri ein echt geiler Sänger ist.
[Sui] Auch LEATHERWOLF war eine der Bands, von denen ich mich einfach mal überraschen lassen wollte. Der US-Power-Metal klang auch gar nicht schlecht, war gut gespielt, aber zumindest bei mir wollte der Funke nicht überspringen. Das Songwriting erschien mir insgesamt doch etwas zu beliebig.
[Dajana] Bei mir auch nicht, verdammt. Ich fand sie gut, nicht unbedingt sperrig aber irgendwie schwer zugänglich. Michael Olivieri? ♥
[BRT] LEATHERWOLF sind ja auch irgendwie eine dieser US Metal Legenden, von denen schon jeder mal gehört hat, die unzählige Platten veröffentlicht haben, die aber nie so richtig Erfolg hatten. Nun ja, da waren richtig geile Songs mit Hitpotential dabei aber leider auch einiges nichtssagendes Material. So richtig Werbung für sich hat die Band leider nicht gemacht, aber in 2-3 Alben muss ich dann doch mal reinhören. Geiler Sänger, aber das mit den drei Gitarren hat sich auch mir nicht sonderlich erschlossen.
Setlist: Spiter, Endangered Species, Season Of The Witch, Street Ready, Princess Of Love, Spirits In The Wind, Cry Out, Thunder, Hideaway, Leatherwolf, Wicked Ways/ The Calling/Wicked Ways

[Psycho] Tja, da hatte ich im Vorfeld gar keine Erwartung, und dann dass! :: CIRITH UNGOL :: rockten das Haus, jawoll! Angetrieben von viel Spielfreude und Energiebündel Jarvis Leatherby spielten sich die Kalifornier in einen echten Rausch, über dem die krass-geile Sirenen-Stimme von Tim Baker thronte. Zumindest, nachdem man ihm endlich das Mikro aufgedreht hatte... Gerade aufgrund der Frühwerke der Band hatte ich vorab doch einige Bedenken bzgl. des Gesangs gehabt, lag damit aber komplett daneben. DAS WAR GEIL! Dazu ein mit Klassikern à la Frost & Fire, Join The Legion oder Blood & Fire gespicktes Set – Metalherz, was willst Du mehr?
[Sui] CIRITH UNGOL, und wieder ein Urgestein, das es noch mal wissen will. Und das wollten sie in der Tat. Der Drummer holperte sich zwar durch die eine oder andere Passage, aber die Band steigerte sich im Lauf des Gigs in einen veritablen Spielrausch und wurde ihrem Kultstatus gerecht. Meine Befürchtung, dass der Sänger sich als Schwachpunkt erweisen würde, bewahrheitete sich zum Glück nicht. Musikalisch wie atmosphärisch eines der Highlights des Festivals.
[Dajana] Hier war ich einfach nur neugierig und ohne Erwartungshaltung und wurde einfach mal weggeblasen :) Großartig!
[BRT] CIRITH UNGOL zum dritten Mal seit der Reunion live gesehen. Bisher war jeder Gig gut bis geil, aber CIRITH UNGOL stehen und fallen natürlich auch mit der stimmlichen Performance von Tim Baker. An diesem Tag gab es da aber nichts zu beanstanden und die Jungs aus Kalifornien, verstärkt um zwei Night Demon Mannen, rockten das Haus und spielten einen absolut überragenden Gig. Hits wie Blood And Iron, Frost And Fire oder Chaos Descends sind zeitlos und gehören in jeden Plattenschrank. So!
Setlist: Atom Smasher, Join The Legion, Blood And Iron, I'm Alive, Black Machine, Frost And Fire, Cirith Ungol, Chaos Descends, Fire (The Crazy World of Arthur Brown cover), Master Of The Pit, King Of The Dead

[Dajana] Kommen wir zu den schwedischen Black Metallern :: MARDUK ::. Die meisten haben es mitbekommen, es wurde eine Geschichte aus dem Jahre 2016 ausgebuddelt, die dem Sänger Hans Daniel Rostén und dem Drummer Fredrik Widigs unterstellt, wiederholt und im großem Umfang Nazi Propaganda Material im Nordfront-Shop der Nordic Resistance Movement (eine “Pan-Nordic Neo-Nazi Bewegung“) online bestellt zu haben. Die Band dementiert, jene schwedische Zeitung (Dagens ETC) hat inzwischen Teilbehauptungen zurückgezogen. Da wir keine Zeit hatten, die Geschichte im Vorfeld ordentlich zu recherchieren, haben wir uns kollektiv bei MARDUK eine Auszeit gegönnt. Im nachhinein lässt sich feststellen, dass diese Geschichte durchaus fragwürdige Lücken und Unklarheiten aufweist, zugunsten der Band. Sowohl der Band, als auch den einzelnen Mitgliedern wurde bereits viele Male unterstellt, rechts zu sein oder mit rechts zu sympathisieren. Eindeutige Beweise gibt es nicht, nur Hörensagen. Die Band dementiert in irgendeiner Form politisch zu sein, hat sich aber auch nie von rechtem Gedankengut distanziert. Für’s RHF bleibt die Band unberücksichtigt.

[Psycho] Auch wenn mich der Rest der Redaktion dafür am liebsten steinigen würde: ich fand :: AXEL RUDI PELL :: langweilig. Zwar perfekt gemacht, aber mit diesem 70er-based Hard Rock werde ich einfach nicht warm. So, jetzt gebt's mir...
[Sui] Keine Angst, Psycho, ich fang erst mal mit Hartobst an (Du bist so gut zu mir... ;-) Psycho.) . Natürlich ist Musik immer Geschmackssache, und wer nicht auf geilen Hard Rock alter Schule steht, wird mit AXEL RUDI PELL wenig anfangen können. Objektiv gesehen war die Show musikalisch über jeden Zweifel erhaben und das betrifft nicht nur die reine Spieltechnik, sondern auch die wirklich guten Songs. Ich jedenfalls bereue es ein bisschen, ARP nie so recht auf dem Schirm gehabt zu haben. Die Rolle als Samstags-Co-Headliner war verdient.
[Dajana] Ich fand AXEL RUDI PELL auch richtig gut. Vor allem Sänger Johnny Gioeli war eine Wucht. Was für eine Stimme! Und ungemein lebhaft auf der Bühne. Hat mich mitgerissen. Wirklich. Ich muss aber auch gestehen, dass ich ARP zum ersten Mal live gesehen habe. Weiß aber auch, dass die Jungs ihre Shows regelmäßig ausverkaufen, wie neulich in der Zeche Bochum. Vielleicht sollte ich doch mal ein Ohr ins just veröffentlichte neue Album Knights Call stecken, das hier mit so manchem Song live präsentiert wurde.
[BRT] Sicher kann man einer Band, die aussieht wie ein Kegelclub auf dem Weg nach Mallorca viel vorwerfen, musikalisch gab es bei Wattenscheids Musterschüler Nummer eins: AXEL RUDI PELL aber nichts zu beanstanden. Spielfreude, gute Melodien und ein herausragender Sänger sorgten reichlich gute Laune und selbst bei Skeptikern für anerkennendes Nicken.
[Psycho] Das kann ich in der Tat nicht abstreiten.
Setlist: The Medieval Overture, The Wild And The Young, Wildest Dreams, Only The Strong Will Survive, Mystica (incl. Drum Solo), Long Live Rock, (Keyboard Solo), Game Of Sins (incl. Tower Of Babylon), The Line, The Masquerade Ball/Casbah, Rock The Nation

[Psycho] Wenn das so weiter geht, können sich :: OVERKILL :: bald in Overpresence umbenennen, zumindest was die Gastspiele in Deutschland angeht. Aber natürlich hat die Band auch diesmal wieder ihr Bestes gegeben und zum Glück nicht den Fehler gemacht, ihr gerade veröffentlichtes Live-Album 1:1 runterzuspielen, welches sich ja ebenfalls der Würdigung der Alben Horrorscope und Feel The Fire widmet. So wurde die Reihenfolge geändert und im Zugaben-Teil auch noch andere Klassiker berücksichtigt. Gut so! Richtige Kritikpunkte habe ich daher nur zwei: einige der älteren Songs spielt die Band absichtlich zu schnell, wodurch aber charakteristische Merkmale dieser Tracks ziemlich untergehen. Warum das eigene Material schlechter spielen, als man es könnte? Und irgend jemand könnte Dave Linsk mal stecken, dass im Metal (gerade bei Live Shows) etwas Bewegung nicht schadet...
[Sui] Jaaaa, die Abrissbirne aus NY ist (mal wieder) da und legt das RHF in Schutt und Asche. OVERKILL sind sicher auch nicht mehr die Jüngsten, aber sie liefern immer noch zuverlässig den Soundtrack zur totalen Zerstörung. Zumindest hat es sich nach dem Moshpit so angefühlt. Als ich die Band mal in den frühen 2000er Jahren gesehen habe, haben sie Forderungen nach Songs von der Feel The Fire noch mit einem müde lächelnden Fuck You abgetan. Inzwischen ist das Frühwerk aber offensichtlich auch bei seinen Schöpfern rehabilitiert. Dass OVERKILL die Songs ein bisschen bzw. viel zu schnell spielen, lässt sie vermutlich nur ihren Reiz verlieren, wenn man dem Treiben von den Rängen aus zusieht. Im Moshpit ist das egal.
[Dajana] Ist das bei OVERKILL nicht immer so? Also, dass sie die Stücke live ne ganze Ecke schneller spielen. Angekündigt war eine Horrorscope/Feel The Fire Special Show. Die gab es auch, mit Ausnahme zweier Songs und dem Fuck You Cover. Ansonsten… OVERKILL sind OVERKILL. Immer wieder großartig! Egal, ob in der Halle oder auf großer Festivalbühne. Ich liebe die Jungs!
Setlist: Coma, Infectious, Blood Money, Thanx For Nothin', Raise The Dead, Rotten To The Core, There's No Tomorrow, Feel The Fire, Horrorscope, Hammerhead, Nice Day... For A Funeral, Overkill, In Union We Stand, Elimination, Fuck You (Subhumans cover), Sonic Reducer (Dead Boys cover), Fuck You (Reprise)

[Psycho] Der Tag ging echt schnell rum, und mein Highlight waren dabei ganz klar CIRITH UNGOL. Aus meiner Sicht war es auch heute leerer als in den vergangenen Jahren, trotz der reichlichen Skullcrusher im Publikum.
[Sui] Guter Anfang mit TRAITOR, dann etwas Leerlauf mit NOCTURNAL RITES, gute Unterhaltung mit THE NEW ROSES, wieder ein kleiner Hänger mit LEATHERWOLF, purer Kult von CIRITH UNGOL, ein würdiger Co-Headliner AXEL RUDI PELL und das totale Thrashgewitter von OVERKILL – wenn es nicht noch eine andere Band gegeben hätte (angekündigt mit einer der bescheuertsten Ansagen der RHF-Geschichte), wäre es definitiv ein noch besserer Tag gewesen.
[Dajana] Meine Favoriten waren ebenfalls CIRITH UNGOL. OVERKILL versteht sich von selbst, aber da habe ich auch nichts anderes erwartet.
[BRT] Mein Tagessieger war mit deutlichem Abstand CIRITH UNGOL. Einfach Bombe, was die alten Herren seit der Rückkehr auf die Bühne so abliefern.

 

story • Psycho, Sui, BRT, Dajana • pics © Dajana & Dajana Winkel • Photography