[Dajana] Nächstes Jahr wird alles besser, hatte ich letztes Jahr geschrieben. Hm. Nein. War es nicht. Muss man ehrlich so sagen. Das Line-Up blieb hinter den Erwartungen eines Doppel-Jubiläums zurück, was sich deutlich auf die Besucherzahlen niederschlug. Signifikant war auch das hohe Durchschnittsalter des Publikums - einerseits ein Pluspunkt für die Fantreue, andererseits ein schlechtes Zeichen für den Nachwuchs. Wie kann es mit dem ROCK HARD FESTIVAL weitergehen? Eine Frage, die uns alle beschäftigt hat und weiter beschäftigen wird. Die Diskussionen rund ums Festival sind ja im vollen Gange. Vieles hat sich in der Szene grundlegend geändert. Mit einem "weiter so, dass haben wir die letzten 20 Jahre auch schon so gemacht" ist es nicht mehr getan. Es braucht neue Ideen, frische Konzepte und Innovationen, um erfolgreich weiterzumachen. Nun, man wird sehen, wohin die Reise geht…
Natürlich waren trotz aller Kritik an jedem Tag Bands dabei, an denen ich sehr viel Freude hatte und natürlich war die Organisation ansonsten wieder top, auch mit abgespecktem Personal. Das neue Securitiy-Team war sehr relaxed, im Fotograben aber sehr unerfahren. War wohl deren erstes Metalfestival. Die Ordner waren mehr damit beschäftigt, ihre WhatsApp-Nachrichten durchzuschauen, als die ankommenden Crowdsurfer abzufangen.
Was mir auch noch aufgefallen ist: Es gab insgesamt nur 4 Musikerinnen auf dem gesamten Festival: Sabina Classen und Francis Tobolsky, plus die Gastsängerin bei Nestor, und Vanja Šlajh, die TRIPTYKON-Bassistin. Das ist reichlich wenig!
[Psycho] Mich würde es nicht wundern, wenn die Festival-Macher die Gewinnschwelle in diesem Jahr nicht erreicht haben. Es war doch ganz schön leer an den einzelnen Tagen, und die 5.000er-Grenze wurde meiner Schätzung nach nie geknackt. Damit dürften ca. 1/3 weniger Besucher dagewesen sein als möglich. Fast wie zum Trotz wurde nach dem Festival von offizieller Seite mitgeteilt, dass der Schnitt bei 7.000 Zuschauern pro Tag gelegen hätte – was man sich aber kaum vorstellen kann.
Über die Gründe zu spekulieren ist schwierig. Alles ist teurer geworden, auch die Festival-Karte und die Verpflegung Drumherum (löbliche Ausnahme: die Merch-Preise). Die Leute halten aber insgesamt betrachtet ihre Kohle mehr zusammen. Ein anderer wichtiger Grund dürfte aber die Festival-Gestaltung selbst gewesen sein. Von einer großen Party zum 20. Festivaljubiläum bzw. zu 40 Jahren Print-Magazin war praktisch nichts zu sehen. Da kann man schon mehr Stimmung machen und ein paar Aktionen einbauen. Auch das Line-Up spiegelte keines der Jubiläen wieder, stattdessen Business as usual, und dass auch noch mit einer der insgesamt schwächsten Bandauswahl der letzten Jahre. Der einzig spannende Tag war demnach der Freitag: höhere Hitdichte, etablierte Bands, besonderes Sets. Davon hat es an den anderen beiden Tagen gefehlt. Aus meiner Sicht waren überhaupt nur 3 Bands echte Highlights: TRIPTYKON, VOIVOD und VICIOUS RUMORS, dicht gefolgt von BENEDICTION und (mit etwas Abstand) IRON FATE. Für drei Tage ist das etwas dünn (dass eine Band wie KATATONIA meilenweit von ihrer Normalform agiert, ist natürlich nicht planbar). Auf der anderen Seite müssen sich die Macher allmählich überlegen, welche Art von Festival sie zukünftig präsentieren wollen. Der Altersschnitt der Besucher steigt gefühlt jedes Jahr an, aber im Prinzip läuft die Chose immer noch so ab wie vor 10 oder 15 Jahren. Für ein jüngeres Publikum wird das wohl immer uninteressanter. Aber ist das jetzt das Konzept? Und wenn ja, wie soll das Ganze dann weiterentwickelt werden? Schön war es trotzdem, aber das lag zu einem nicht unerheblichen Teil daran, andere Leute zu treffen und zusammen einige Bierchen zu trinken – dafür braucht man aber nicht zwangsweise ein Festival. Ich bin daher gespannt, wie lange sich das RHF ohne einige Veränderungen in dieser Form noch halten kann.
[Sui] Das ROCK HARD FESTIVAL 2023 hinterließ gemischte Gefühle. Ich war, wie schon gesagt, heilfroh, endlich wieder mit der alten Gang vereint zu sein. Das alleine war die lange Anfahrt wert. Von einem Jubiläums-RHF habe ich mir allerdings auch eine spannendere Bandauswahl und mehr Aktionen erwartet. Die derzeitige Unzuverlässigkeit von Bands aus Übersee dürfte einer der Gründe gewesen sein. Aber hat die europäische Szene echt keine anderen Bands als SODOM und TANKARD zu bieten? Selbst die Opener waren alles gestandene, leicht angegraute Recken (abgesehen vielleicht von WUCAN). Das ist kein zukunftsfähiges Festival-Konzept. Natürlich gab es auch dieses Jahr Highlights, und meiner Meinung nach auch mehr als 3: TRIPTYKON und VICIOUS RUMORS am Freitag, VOIVOD und BRIAN DOWNEY'S ALIVE & DANGEROUS am Samstag sowie IRON FATE, WUCAN und MSG am Sonntag. Die Frage ist allerdings: Wie lange kann es das RHF in dieser Form noch geben? Wenn man das Oldie-Konzept weiterverfolgt, wird das Publikum früher oder später buchstäblich wegsterben. Und wie Psycho (wie so oft) treffend bemerkt hat: Andere Leute treffen und Bierchen zusammen trinken kann man auch woanders.
[BRT] Bei aller anfänglichen Kritik hatte ich wieder sehr viel Spaß, meine Freunde und andere tolle Leute getroffen und ein paar geile Bands gesehen. Viele der Punkte die Psycho und Sui schon angesprochen haben, werden ja insgesamt auch in der Szene diskutiert. Das immer älter werdende Publikum, die Preise, was setze ich Leuten vor, die immer mehr das Gefühl haben, dass sich die Bands alle drei bis vier Jahre wiederholen. Wie kann ich die Szene hinter dem Ofen hervorlocken. Muss der Veranstalter vielleicht spezieller werden? Oder bleibt dann das Partypublikum fort? Dass es junge Leute in der Szene gibt, haben Festivals wie das Dying Victims Attack bewiesen, aber kann man das 1:1 auf ein großes Festival wie das ROCK HARD FESTIVAL umsetzen? Schwer zu sagen ob das dann doch sooo viele Leute sind. Sehr viele Fragen, die sich auch Macher von anderen kleineren Festivals stellen, aber da ist oft eine deutlichere Spezialisierung zu beobachten. Und deutlich weniger Partypublikum. Dass es junge, frische und spannende Bands in der Szene gibt, beweisen Bands wie WUCAN oder KNIFE. Dass es sowieso schwierig ist, bei einem so bunten Programm alle glücklich zu machen, keine Frage. Auch wir NH-Redakteure sind ja selten einer Meinung, was dann wiederum wieder die Vielfältigkeit der Szene wiederspiegelt. Zwischen AOR und Death Metal passt halt so einiges, aber selten hören die Leute beides. Einen Konsens kann und wird es deshalb ja nie geben, das ist gut aber auch gleichzeitig schwierig. Zumindest für den Veranstalter...
[Seb] In den meisten Punkten kann ich mich nur anschließen und zum Line-Up kann ich natürlich nicht viel legitime Kritik bringen: ich bin ja nur ganz am Rande Zielgruppe. Mehr als nur eine echte Death Metal oder Black Metal Band darf es von mir aus nächstes Jahr aber gerne sein. Was mich am meisten enttäuscht hat war der Sound, bis auf das CELTIC FROST Set hatte alles was mich musikalisch interessiert hat mehr oder weniger Probleme. Das kann schon mal passieren, klar. Dass dann aber wie bei TESTAMENT geradezu hilflos herumprobiert wird, darf nicht sein. Nicht meine liebste Ausgabe des RHF, viel wird davon in musikalischer Hinsicht (wenn man vom ersten Abend absieht) nicht in Erinnerung bleiben. Der Blick geht vorwärts aufs ROCK HARD FESTIVAL 2024 ;)
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